Was würdest du dir wünschen, wenn du einen Wunsch frei hast?
Lennart ist ein erfolgloser Wissenschaftler, chaotisch und exzentrisch. Durch einen Zwischenfall wird er selbst zur Versuchsperson eines dubiosen Experiments. Das halb fertige Mittel verändert schlagartig sein Leben und die ersten Erfolge stellen sich rasch ein. Doch an der Spitze seines Ruhms sieht alles völlig anders aus.
Kurzgeschichte, Thriller
Taschenbuch, 120 Seiten (incl. Bonusmaterial)
Taschenbuch
eBook
Biogenetic Manipulation – Modification of the Genetic Code ist eine Premium-Ausgabe, die mehr bietet als nur eine Kurzgeschichte. Leser erhalten mit dem E-Book nicht nur „Lennart Beck – Experiment seines Lebens“, sondern auch eine exklusive Leseprobe aus „Briefe an Abby“, Buchvorstellungen wie „Chocolate of Life“ und „Occasion – Die zweite Welt“ sowie eine Sammlung prägnanter Aphorismen des Autors.
Die Geschichte um Lennart Beck hat bereits begeisterte Stimmen gefunden. So beschreibt Jadrian sie als „erschreckend, alptraumhaft, nachdenklich“ – ein surrealer Traum, der den Leser zwischen Realität und Wahn zurücklässt und mit einem unerwarteten Ende lange nachhallt. Grid Schneeweiß wiederum hebt hervor, wie ungewöhnlich fesselnd schon das Vorwort ist, und vergleicht die Erzählung mit einem packenden Thriller, der Realität und Traum kunstvoll verschwimmen lässt. Das Ende überraschte sie nicht nur, es brachte sie sogar zum Lachen und Staunen.
Mit dieser Ausgabe beweist Perry Payne einmal mehr sein Talent, die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit zu sprengen, Leser zu fesseln und nachhaltig zu beeindrucken.
Kurzgeschichte, Thriller
Taschenbuch,  Seiten ISBN: 978-3-7368-9186-9  112 Seiten	€ 3.99
eBook ca 40Seiten									€ 0.99
Die Premium-Ausgabe (Taschenbuch) enthält neben der Geschichte
jede Menge Bonusmaterial:
- Leseprobe „Briefe an Abby“
- Leseprobe "Wie viele Männer braucht das Glück"
- Leseprobe "KATE - Eine Göttin auf Erden"
- umfangreiche Leseprobe "Abgestürzt im Trockenwald - Dornen des Chaco"
(Das Bonusmaterial ist nur im Taschenbuch enthalten.)
Erhältlich:	In allen namhaften Onlineshops (eBook) und bei Amazon (Taschenbuch).
Im Rundkolben brodelte bläuliche Flüssigkeit über dem Gasbrenner, warf Blasen, die zersprangen und sich wieder aufbauten. Am oberen Ende führte ein Glasrohr weiter, indem einzelne Tropfen an der Außenwand kondensierten und herunterrollten.
Gefäße, Zangen, eine Kleberolle, Kolben, Reagenzgläser und gebrauchte Handschuhe bildeten eine chaotische Kulisse auf dem großen Arbeitstisch.
Das Zimmer war dunkel. Nur die Flamme und eine schwach leuchtende und braun verkrustete Glühlampe an der Decke erhellten das kleine Labor. Die Fenster waren mit staubigen Laken bedeckt. Sie waren an den Ecken angenagelt. Es roch nach Algen und abgestandenem Rauch. Das Zischen des Feuers und langsames, rhythmisches Tropfen bildeten das Ensemble für die Ohren. Dazu mischte sich aus der Ferne leise Musik mit dem Bass einer vorbeifahrenden Straßenbahn. Die Gemäuer des alten Mietshauses aus den Zwanzigern vermochten kaum diese Störung zurückzuhalten.
Lennart Becks Hand zitterte, als er eine Chemikalie in den Trichter träufelte. Seine Haut war fahl und fleckig.
Die anderen Mieter kannte er kaum. Manchmal grüßte ihn noch jemand aufdringlich, doch ihn störten diese Floskeln, weil sie Lennart aus den augenblicklichen Gedanken brachten.
Er brauchte diese Tagediebe nicht. Keinen von ihnen. Denn sie lebten alle wie Lemminge, ferngesteuert, freudlos, sinnlos. Niemand von ihnen machte sich eine Vorstellung über das wahre Leben, den Sinn dahinter, und wie sie die Welt voranbringen könnten, um dem Zweck ihrer Existenz zu dienen.
Stattdessen saßen sie mit Bier vor dem Fernseher und ließen sich mit unnützem Zeug berieseln. Sie merkten nicht einmal, wie sie ihre kostbare Zeit damit totschlugen.
Das gleichförmige Hämmern der Musik störte seine Konzentration. Lennart starrte in den Kolben und war nicht mehr bei der Sache. Die aufsteigenden Blasen wurden zu blauem Schaum, und es glich seiner sichtbar gewordenen Wut gegen die Ruhestörer. In Gedanken sah er sich bereits vor deren Haustür, die er mit Schwung eintrat und dem erst Besten mit der Faust ins Gesicht schlug. „Wieso sollte ich mir deinen scheußlichen Lärm wohl anhören? Was denkst du dir dabei, du kleiner Hosenscheißer? Glaubst du, ich brauche so etwas?“, sagte er ruhig und sah auf Ben, seinen Nachbarn herab, der sich auf dem Boden liegend die blutende Nase hielt. „Das soll dir eine Lehre sein. Beim nächsten Mal werfe ich deine Lautsprecher aus dem Fenster.“
Lennart drehte sich um und verließ mit leichtem Grinsen die Wohnung.
Aber das waren nur Wunschvorstellungen. Wahrscheinlich würde er bereits mit gebrochenem Arm an der Haustür enden und niemand würde überhaupt bemerken, dass er dagegen gerannt war. Der Anflug seines Lächelns verebbte bei der Wahrnehmung der Realität und dem Experiment.
Nachdenklich sah er auf seine linke Hand. Die Haut war grau geworden und hatte tiefe Falten. Er ballte sie zur Faust. Die Rechte hatte einen dicken Verband um die Handfläche und die äußeren zwei Finger gewickelt. Er hatte sich der Farbe seiner Haut angenähert und war fleckig.
Lennart schob die Lippen schräg und kaute gereizt auf den Zähnen. Er betrachtete den feinen Dunst, der ins Kühlrohr aufstieg, sich sammelte und am anderen Ende abtropfte. Langsam füllte sich das Fläschchen mit der klaren Flüssigkeit.
Lennart blinzelte. Zwischen zwei Musikstücken kam seine Aufmerksamkeit zurück. Mit dem Handballen rückte er die Brille zurecht, die umgehend wieder in die Vertiefung seines Nasenbeins rutschte, als er herabsah.
Es dürfte nicht so stark qualmen. Irgendetwas läuft schief. Die Reaktion ist zu heftig, dachte er, kratzte sich am Nacken, stellte die Flamme an dem Rädchen etwas kleiner und warf die Pipette zwischen die Laborgeräte. Er öffnete den Kolben und ließ vorsichtig noch ein paar weiße Kristalle hineinrieseln. Dann wischte er eine Zeitung und ein paar Pinsel beiseite, fand darunter ein aufgeschlagenes Buch und strich mit dem Zeigefinger über die Zeilen. Die Zeichnung daneben, mit dem Genstrang, hatte er mit chemischen Formel beschrieben. Darüber stand in fetten Lettern: Biogenetic manipulation - Modification of the genetic code. Seine Notizen und Formeln überfluteten die gesamte Seite, wobei der Buchrand kaum noch eine freie Stelle hatte.
„Herrgott!“, fluchte er und sprach mit seinen Laborgeräten oder sich selbst. „Was ist es diesmal? Was? Na, sag schon! Wie soll ich es denn noch anstellen? Ich habe doch alles probiert, verdammt.“
Entmutigt stützte er sich mit beiden Händen auf den Tisch, ließ den Kopf hängen und grübelte.
Minuten später riss ihn der monotone Signalton seiner Armbanduhr aus der Versteinerung. Es war Zeit, sich auf den Weg zur Arbeit zu machen. Den Job als Reinigungskraft in seiner ehemaligen Universität mochte er nicht sonderlich, aber er hatte dort Zugriff auf eine Vielzahl brauchbarer Substanzen, die er für seine Experimente benötigte. So konnte er sich jede Menge Zeit und Kosten für die Beschaffung sparen und hatte außerdem seine Ruhe. Denn wenn die Studenten kamen, lag er bereits wieder zuhause im Bett.
Er streifte den hellblauen Kittel ab, hängte das verbrauchte Teil zu einem Jackett an den Haken an der Tür und stellte den Brenner ab.
Mit seinem letzten Blick zurück auf das Experiment schaltete er die Lampe ab. Aus dem Nebenraum kam gedämpftes, blaues Licht.
Lennart trank den letzten Schluck aus seinem Lieblingspott. Der Kaffee war längst kalt und bitter. Die Tasse mit der Aufschrift: Jemand muss den Job ja machen, hatte seit Monaten kein Spülwasser mehr gesehen. Schließlich störte eingetrockneter Kaffee den Genuss nicht im Geringsten. Es gab eindeutig wichtigere Tätigkeiten im Leben als abzuwaschen. Der leere Pott landete auf dem Tisch auf einem schmuddeligen Pornoheft, auf dem sich bereits etliche Kaffeeflecken und nass gewordene und wieder getrocknete Stellen befanden.
Der Mantel, die abgetragenen Schuhe aus hellbraunem Leder, und der Aktenkoffer in ebenbürtigem Braun, lagen allzeit an der gleichen Stelle neben der Tür.
Er nahm sich den Mantel, schlüpfte in die Ärmel und gleichzeitig in die Schuhe. Die Fersen saßen noch nicht richtig in den Schuhen, da späte er schon durch den Spion in den Hausflur. Dort war niemand in der völligen Finsternis zu sehen.
Also schob er den großen Riegel zur Seite, und die beiden kleinen Türschlösser, oben und unten. Er öffnete, lauschte, schnappte sich die Tasche und kippte mit dem gebogenen Zeigefinger den vergilbten Schalter um. Die Beleuchtung in der Wohnung erlosch. Nur das blaue Licht aus seinem Labor leuchtete weiter bis in den Flur.
Lennart verließ die Wohnung. Gerade, als er einen Schritt vor die Tür machte, setzte die Musik aus der Nachbarschaft wieder ein. Mit schräg gestellten Lippen tastete er die Wand nach dem Lichtschalter ab.
Der Takt hämmerte in seinem Kopf, als wäre es ein persönlicher Angriff auf ihn und seinen hellen Verstand. „Hinterwäldler“, schimpfte er, fand den Schalter und betätigte ihn. Mit dem grellen Licht schossen ihm alte Bilder aus seiner Kindheit durch den Kopf. Er fand sich auf einer Geburtstagsparty wieder, bei der er einen großen Pott Himbeerbowle über den Kopf geschüttet bekam. Sie hatten alle über ihn gelacht und mit dem Finger auf ihn gezeigt. Diese primitiven Kinder. Er wischte sich Himbeeren von der Stirn und die Tropfen von der Nasenspitze, und leckte sich über die Lippen. Verachtend kniff er seine Augen zusammen. Da standen die Kleingeister und verstanden die Ordnung der Welt nicht. Für sie war es lustig, wenn jemand Bowle auf den Haaren, im Gesicht und auf dem Anzug hatte. Doch was, um alles auf der Welt, war daran auch nur ansatzweise lustig? Es brachte niemanden voran, keine neuen Erkenntnisse, und schon gar nichts auf den Essenstisch. Jeder Einzelne von ihnen verdiente nicht, zu leben. Er sah in ihre Gesichter. In jedes von ihnen, und sah die zusammengekniffenen Augen, die verzerrten Münder, und er hörte die abartigen Laute, die sie als Lachen bezeichneten.
Heute wäre er derjenige, der lachen würde. Und zwar über ihre herausquellenden Augen, nachdem er ihnen so viel Bowle in die Rachen gegossen hätte, bis sie daran erstickt wären. Dann würde er nachgießen und fragen, ob es genug sei. „Das ist es doch, was du willst!“, würde er sagen. „Sauf dir das Gehirn raus. Das brauchst du ohnehin nicht mehr.“
Lennart sah den Lichtkegel der Wandlampe vom Flur. Sie blendete ihn und hatte die Konturen der Umgebung gestohlen. Er versuchte, sich zu entspannen, seinen alten Zorn zu bändigen. Denn all das war Vergangenheit und längst vorbei.
Der Rhythmus überschlug sich mit wildem Gitarrenrock. Genau wie überall hatten die Nichtsnutze in diesem Haus nur Stroh im Kopf und feierten bis in den Morgen hinein. Wahrscheinlich würden sie Alkohol und Sex haben, vielleicht Drogen und irgendwelche abartigen Spiele machen. Und sie würden sich dumme Sprüche und billige Witze erzählen und kaum vor Lachen halten können, bis sie unter den Tischen lagen und im Rausch der Sinnlosigkeit ertranken.
Lennart griff sich ans Kinn und fuhr über die Bartstoppeln. Wegen des Probelaufes mit den neuen Bestandteilen hatte er vergessen, sich heute Morgen zu rasieren. Um das nachzuholen, war keine Zeit mehr. Denn eins war er. Pünktlich.
Eilig lief er den Hausflur entlang. Es wurde höchste Zeit.
„Ruhe!“, schrie er aus voller Kehle, eilte zum Treppenaufgang, und das Licht erlosch gleichzeitig auf allen Etagen. Die Musik verstummte. Gedämpfte Schreie drangen aus einer Wohnung über ihm. Es folgte Poltern und splitterndes Porzellan oder schweres Glas.
Unten, im Hausflur knarrte die große alte Eingangstür und Stimmen waren von dort zu hören. Im Dunkeln tastete sich Lennart zum Lichtschalter zurück. Er fand ihn und klopfte darauf. Doch das verdammte Ding verweigerte seinen Dienst. Es wurde so nutzlos wie die Bewohner. Kein Wunder, dachte er. Das schien eine Krankheit der Homo sapiens zu sein, die langsam anfing zu mutieren und sich auf Gegenstände übertrug.
Wieder schlug er gegen den Schalter.
Natürlich könnte es auch nur ein gewöhnlicher Stromausfall sein, aber die Chancen für eine Ausbreitung der Dummheit standen nicht übel.
Nur wenn es ein Stromausfall war, musste er schleunigst in seine Wohnung zurück, um nachzusehen, ob das Notstromaggregat angesprungen war. Es hatte manchmal seine Macken und die Kühlung durfte auf keinen Fall ausfallen. Sie war noch wesentlich wichtiger als das Licht über den Vitrinen und für den Computer. Denn, wenn die Kühlung ausfallen würde, hätte er schnell das Problem eines hoch toxischen Gemisches im Haus, und er könnte monatelang nicht in seine Wohnung zurück. Und da das Gas keinen Halt an der Haustür machen würde, dürften auch all die anderen Bewohner nicht mehr ins Haus. Obwohl, so überlegte er, die hätten es vielleicht nicht anders verdient. Dann wäre zumindest ein für alle Mal Ruhe im Haus. Aber die Polizei würde Fragen über jede Menge Leichen stellen. Und jede Frage wäre eine zu viel. Das konnte er nicht riskieren.
Er legte den Kopf schräg. Aber er hätte ein Alibi. Seit Jahren war er um diese Zeit auf Arbeit. Nun grinste er das erste Mal an diesem frühen Morgen. Bis ihm einfiel, dass sie seine Chemikalien und sein Labor finden würden. Natürlich ginge das nicht, und am Ende wäre er doch der Dumme und würde im Gefängnis dieser unwissenden Idioten landen.
Er atmete schwer durch und tastete sich weiter zu seiner Tür bis er stolperte und über die wuchtigen Blumentöpfe fiel, die irgendwann jemand aus dem Haus ausgerechnet neben seiner Wohnungstür abgestellt hatte, nur weil hier der schmale Gang zum Fenster war. Lennart stemmte sich hoch und hielt sich das schmerzende Schienbein. Ungestüm fluchte er und schüttelte seinen Arm, um sich von den ausgedörrten Pflanzenresten zu trennen, die an seinem Mantel klebten.
Lichtstrahlen schossen wild durch den Flur. Jetzt hörte er die Schritte auf den Stufen näherkommen und das Knarren der alten Holzdielen. Er wurde geblendet und hielt sich schützend die Hand vor die Augen.
„Beck!“, tönte eine tiefe und vertraute Stimme.
Das Licht der Taschenlampen kam auf ihn zu.
Panisch drückte sich Lennart gegen den Türrahmen und kramte nach dem Schlüssel. Für genau diese Situation hatte er die vielen Schlösser anbringen lassen. Absurderweise stand er auf der falschen Seite, und das, was ihm helfen sollte, befand sich ihm jetzt im Weg.
Der Wohnungsschlüssel zitterte in seiner Hand. Er fand das Schloss schnell und stieß die Tür auf, da wurde er auch schon grob hineingestoßen.
Ein weiterer Stoß beförderte ihn auf den Boden vor den Couchtisch. Der kräftige Kerl, mit dem kurz geschorenen Stierschädel und der Statur eines Türstehers, zerrte ihn an den Oberarmen auf den Sessel und ließ ihn dort fallen. Es war Igor.
Lichtstrahlen fegten durch seine Wohnung.
„Alles Gute zum Geburtstag“, sagte er mit russischem Akzent und zündete ein Zippo an. Die Flamme stellte er feierlich auf den Tisch.
„Hab keinen Geburtstag. Verschwindet aus meiner Wohnung!“ Lennart nahm seinen Mut zusammen und zeigte zum Ausgang.
„Sag nicht so etwas. Das macht mich traurig.“ Igor packte Lennart am Kinn und drehte seinen Kopf zu sich. „Willst du etwa, dass ich traurig bin? Wir sind extra zu dir in den Schweinestall gekommen, um zu feiern. Ich hätte ein wenig Dank erwartet“, sagte er gespielt fürsorglich, und Lennart könnte ihm seine Worte tatsächlich abnehmen, wenn er ihn nicht besser kennen würde.
In ernstem Ton fügte Igor hinzu: „Aber zuerst bekommen wir unser Geschenk.“ Er grinste breit und streckte sich.
Der Schein einer Taschenlampe blendete Lennart. Mit zusammengeschobenen Augenbrauen sah er zu Igor auf, schüttelte den Kopf und stöhnte leise.
„Also, Beck. Wie weit bist du? Hast du das Präparat?“ Igor stieß ihn hart an der Schulter, als wollte er ihn aufwecken.
Lennart schwieg und hörte auf die leisen Schritte im Haus. Das Notstromaggregat gab keinen Laut von sich. Jetzt spitzte er seine Ohren und starrte durch die Finsternis zum Labor. Das würde bedeuten, dass in etwa dreißig Minuten die Temperatur den kritischen Wert überschreiten wird. Das musste er verhindern.
Nervös rutschte er umher.
In dem Moment traf ihn ein heftiger Schlag in die Rippen. Ihm entwich ein gequältes Stöhnen und er schnappte nach Luft.
„Hey, Opa! Bist du taub auf den Ohren? Wo ist das Wundermittel?“
Eingeschüchtert schaute Lennart hoch und hielt sich die schmerzende Stelle. Bei ihrem letzten Besuch hatten sie ihm zwei Finger gebrochen. Es waren der Ringfinger und der Kleine seiner rechten Hand. Er strich über den Verband und erinnerte sich an die höllischen Schmerzen und an den Klang der brechenden Knochen.
„Ich bin noch nicht so weit“, schnaubte er. „Das habe ich Gussew vor einer Woche klargemacht. So etwas braucht seine Zeit.“
„Nur ist deine Zeit bereits abgelaufen, Professor. Du weißt das! Der Boss lässt sich nicht länger hinhalten. Also, wo ist das Mittel?“
„Es ist noch nicht fertig. Hier fehlen etliche wichtige Tests, und ...“
Ein heftiger Schlag gegen sein Kinn unterbrach seine Erklärung. Lennart wurde in die Lehne geworfen, wischte sich mit dem Handrücken über die Lippen, spuckte Blut auf den Boden und schrie: „Das beschleunigt meine Arbeit auch nicht. Idiot!“
„Denke ich nicht. Oft fehlt den Leuten die richtige Motivation.“ Igor sprach sanft, fast beruhigend.
„Ich muss den Notstrom anstellen.“ Er beugte sich vor, um aufzustehen. Doch ein Stoß ließ ihn wieder in den Sessel zurückfallen. „Hiergeblieben. Du sagst, es fehlen noch Tests?“
Lennart nickte.
„Aber sonst ist es fertig?“
„Ich bin auf dem richtigen Weg. Ich muss jetzt zum Generator.“ Lennart zeigte in die Dunkelheit.
„Gib mir, was du hast.“ Igor erhob sich von der Armlehne und verschränkte provokant seine Arme.
„So etwas wie ein halb fertiges Präparat gibt es nicht. Entweder das Zeug wirkt wie vorgesehen, oder eben nicht. Um das herauszufinden, fehlen ein paar entscheidende Tests.“
„Dann mache deine Tests. Los, jetzt!“
„Jetzt? Ich muss in die Uni“, protestierte Lennart. „Ich werde liefern, wie vereinbart. Also lasst mich meine Arbeit erledigen. Und jetzt muss ich den Notstrom einschalten. Das ist verdammt wichtig.“
„Mir scheint, dass du inzwischen vergessen hast, was wirklich wichtig ist. Brauchst du Schmerzen?“ Zum Überlegen kniff Igor kurz die Augen zusammen. Dann sah er Lennart mit leichten Zucken seiner breiten Wangen an. „Ich schneide dir dein verdammtes Ohr ab. Was sagst du dazu, Beck? Du hältst dich nicht an unsere Vereinbarung. Der Boss ist stinksauer. Du hast Resultate versprochen und kommst jedes Mal mit beschissenen Ausreden.“ Igor schlug ihm mit der flachen Hand oben auf den Kopf. Für ihn war das fast eine zärtliche Geste. „Geh, und zeige mir das Zeug. Ich will es sehen.“
Genervt erhob sich Lennart und tastete sich ins Labor. „Ich kann in der Dunkelheit nichts sehen.“
„Anton, leuchte ihm und pass auf, dass er keine Dummheiten macht“, sagte Igor.
Der nickte. „Geh voran.“
Lennart ging um den Tisch zum Labor und der Fensterbank. Zwischen dem Chaos lag eine aufgezogene Spritze, die er Anton gab.
Zurück in der Wohnstube übergab er sie Igor.
„Na, also! Sieht doch schon gut aus. Was genau funktioniert nicht?“
„Die Formel ist korrekt, aber es kommt auf die Menge der Zutaten an.“
„Geht es etwas genauer, Professor?“, fuhr ihn Igor an.
„Das gebildete Enzym verhindert planmäßig die Degeneration im zellulären Alterungsprozess. Ich konnte das bei zwei Ratten testen. Sie alterten nicht, ja, sie schienen sogar jünger zu werden.“ Lennart setzte sich wieder auf die Couch.
„Und, wo liegt dann das Problem?“
„Die Ratten sind nach neun Tagen gestorben. Ihr Immunsystem hat die Lymphknoten zersetzt. Ich habe einige Werte verändert und das Destillationsverfahren verfeinert. Damit habe ich die Katze eines Nachbarn gespritzt. Aber sie ist mir entwischt. Ich muss sie einfangen, um ein paar Untersuchungen zu machen.“
„Also lebt sie noch.“
Lennart stimmte zu.
„Wie lange ist das her?“, fragte Igor und griff sich in den Nacken.
Lennart überlegte. „Sind jetzt elf, nein zwölf Tage. Ich habe sie gestern Abend gesehen. Sie scheint fidel zu sein. Gebt mir noch ein paar Wochen für die Tests. Dann kann ich das Präparat genau einstellen.“
„Die Formel stimmt und die Katze lebt. Dann ist doch alles klar.“ Igor strich Lennart über den Kopf. „Bist ein guter Junge.“
„Die Forschung lebt von den Tests. Ich muss sichergehen.“
Das Grinsen von Igor wurde breiter. Er betrachtete den milchigen, bläulichen Inhalt in der Spritze.
„Ich finde, das hört sich hervorragend an.“ Dann wurde die Stimme düster: „Haltet Lennart fest. Ich will seinen Bauch sehen.“
„Nein! Was hast du vor?“
Anton riss Lennart das Hemd auf, die Knöpfe sprangen zur Seite und der Stoff riss ein.
„Ganz ruhig, Professor. Es ist nur ein kleiner Piecks. Wir machen den fehlenden Test.“
„Willst du mich umbringen?“ Er zappelte. „Bitte nicht! Ich kenne die Dosierung nicht. Für dieses Experiment ist es zu früh.“ Lennart schrie, als die Nadel bis zum Anschlag in seinem Bauch steckte und er musste mit ansehen, wie die Flüssigkeit darin verschwand. Igor legte die leere Spritze auf den Tisch und tätschelte Lennart. „Du hast jetzt deinen Test. Also dürfte es keine Verzögerungen und keine faulen Ausreden mehr geben. Mache die Auswertungen in aller Ruhe und wir werden uns in genau einer Woche wiedersehen. Falls bis dahin das Mittelchen nicht fertig ist, reiße ich dir persönlich den Arsch auf, verstanden?“ Igor boxte ihn in die Seite, stellte sich vor ihn und fragte erneut: „Hast du verstanden?“
„Ja!“, schrie ihn Lennart an.
„Dann ist ja gut.“ Igor wischte mit seinem Arm über den Tisch und fegte alles herunter, was darauf stand. Zuerst fiel seine Tasse auf den Boden, die Zeitschriften, dann erwischte es den Monitor und den Computer. Es schepperte.
„Denk dran! Eine Woche, und keinen Tag länger. Ich behalte dich im Auge.“ Igor ging zur Tür.
In Gedanken rannte ihm Lennart hinterher und sprang ihm in den Rücken, wie Jackie Chan in seinen besten Jahren. Igor wurde gegen den Türrahmen geschleudert und brach schluchzend zusammen. Er flehte um Gnade, und Lennart stellte sich mit verschränkten Armen über ihn und lachte höhnisch. „Sag deinem Boss, er kann sich mit einem schneeweißen Rolls-Royce für dein ungebührliches Benehmen entschuldigen.“
Igor war in sich zusammengesackt und sah ängstlich zu ihm auf. „Ja, großer Meister, verzeiht mir meine Fehler.“
Das Knallen der Haustür riss Lennart aus seinen Wunschträumen. Er versteinerte auf der Couch, während Igor und seine Leute ungestraft davonkamen.
Es war finster.
Die Einstichstelle brannte und Schweiß bildete sich auf seiner Stirn. Dann begann sein Körper unkontrolliert zu zucken und anschließend kräftig zu zittern. Lennart sah die Hand vor Augen nicht. Sein verzweifelter Schrei durchschnitt die Nacht: „Idioten! Verdammte Vollidioten!“
Es raschelte und Sekunden später klapperte es im Labor. Der Bunsenbrenner spendete ein ansehnliches Licht. Ihm blieben noch etwa sechzehn Minuten für den Notstrom. Danach spielte ohnehin nichts mehr eine Rolle.
Am folgenden Tag erwachte Lennart auf dem Laborboden neben den Pflanzen. Ein widerlicher Geschmack auf der Zunge und unerträgliche Schmerzen donnerten in seinem Schädel. Ihm taten die Rippen und die Schulter weh. Sonnenlicht kämpfte sich durch die Laken am Fenster und offenbarte einen Teil des Chaos im Labor. Der Brenner vergeudete Gas mit einer kleinen stetigen Flamme und das Notstromaggregat summte leise vor sich hin.
Er hielt sich die schmerzende Schulter und erinnerte sich, wie er in der vergangenen Nacht mit einer Milchflasche in der Hand und einem Schlauch die Treppen heruntergerannt war, um Benzin aufzutreiben. Im dunklen Flur war er gestürzt, als er auf halber Strecke kehrt machte und zurücklief, um so etwas wie eine Brechstange zu besorgen. Beim Sturz hatte es seine Schulter erwischt.
Draußen, vor der Eingangstür, brach er den Tankdeckel des erst besten Autos auf, steckte den Schlauch hinein und saugte daran. Ein Schwall Benzin oder Diesel landete in seinem Mund. Der Geschmack hatte sich dort festgesetzt. Lennart schluckte und dachte an sein Erbrochenes, das wahrscheinlich immer noch auf dem Asphalt liegen würde.
Er sah an sich herab und zog besorgt sein Hemd zur Seite. Die Haut um die Einstichstelle zeigte keine Veränderung. Also erhob er sich und schlurfte zur Küche, hob auf dem Weg dorthin den Kaffeepott auf und legte die Zeitungen und Broschüren auf den Tisch. Kurz starrte er auf die Titelseite des Heftes, auf dem sich ihm eine freizügige Blondine aufdrängte. Dann stellte er den Wasserkocher an und schaufelte Kaffeepulver und Zucker in seinen Pott. Beim Warten zog er den Verband an seiner Hand fest und versuchte vorsichtig die geschienten Finger zu bewegen. Das klappte erstaunlich schmerzfrei.
Mit dem frisch gebrühten Kaffee balancierte er in das Labor zurück. Die Wohnung nahm wohlwollend den herrlichen Duft der Bohnen auf.
Lennart setzte sich auf den Schemel und starrte auf das heillose Durcheinander. Unter seinem Notizbuch ragte ein Skalpell hervor, dessen Spitze im Licht der Sonne funkelte. Er nickte, krempelte sich einen Ärmel hoch, schob das Buch zurück und nahm das Skalpell. Mit der Schneide zielte er auf die Innenseite des freigelegten Unterarms und hielt inne. Dann beobachtete er den Puls, dessen gleichmäßiges Schlagen eine beruhigende Wirkung hatte.
Lennart hatte keine Wahl.
Er nahm das Skalpell fester zwischen die Finger und drückte die Schneide tief in sein Fleisch. Lennart schrie und warf das Skalpell auf dem Labortisch. Blut strömte aus der Wunde und lief langsam auf die Unterseite des Arms.
„Scheiße! Verdammter Mist!“, fluchte er, jammerte und schrie schmerzerfüllt.
Hektisch wühlte er durch den Unrat auf dem Tisch und schob einen Glaskolben beiseite, der scheppernd herunter fiel. Ihm folgten in den fieberhaften Bewegungen ein Stativ und weitere Laborgeräte. Die Packung mit den Pflastern fand Lennart schließlich unter dem Säurebehälter, nahm sich zitternd zwei Stück mit einer Hand heraus und schüttelte die restliche Packung von sich ab. Mit den Lippen entfernte er den Schutz, klebte das Erste auf eine Seite der Wunde, zog sie damit auseinander und arretierte das restliche Pflaster. Er jammerte und klebte das zweite Pflaster gegenüber auf. Nun klaffte die Wunde blutend auseinander. Mit einem Labortuch saugte er die Flüssigkeit ab und zog sich mit einer Pinzette ein Stückchen Fleisch heraus. Dabei entfuhr ihm ein tiefer, erschütternder Schrei.
Er kniff die Augen zusammen, sammelte sich und starrte auf die Wunde. Schnell riss er die Pflaster herunter und klebte eins davon über den Schnitt, das sie nun zusammenhielt und das Blut stoppte. Das Tuch wickelte er sich darüber und zurrte es mithilfe der Zähne fest. Nun konnte er sich dem Elektronenmikroskop widmen.
Das Präparat landete auf einer hauchdünnen Glasscheibe, die er in eine Vorrichtung klemmte. Neugierig schaltete er ein, sah auf den Leuchtschirm und regulierte einige Stelleinheiten.
Seine starken Kopfschmerzen ließen eine Konzentration kaum zu. Doch er erkannte in einem Zellkern zweifelsfrei sein neues Protein gegen die Degeneration, das eine Verbindung mit der RNA eingegangen war. Und so wie es aussah, verhinderte sein Enzym tatsächlich die Abfrage der Zellteilungen, womit sich diese vom lebenden Organismus quasi auf unbegrenzte Zeit regenerieren würden.
Lennart starrte gegen die Wand, ohne sie wahrzunehmen, und lächelte breit. Genau das war es. Er hatte es wirklich geschafft, und seine jahrzehntelange Forschung machte sich doch noch bezahlt. Damit war er wieder im Rennen. Mit dieser Entdeckung würde er zum bedeutendsten Wissenschaftler aller Zeiten aufsteigen. Die Kinder würden seinen Namen in der Schule lernen. Denkmäler würden errichtet und Straßen nach ihm benannt werden. Er hatte das unendliche Leben entdeckt. Ihn konnte man mit dem Schöpfer auf eine Stufe stellen. Ihn, Lennart Beck, die Krönung der Schöpfung.
Damit würde er verdammt reich werden. Vermutlich sogar zum wohlhabendsten Mann der Welt. Die Menschen würden alles geben, nur um ein paar seiner Tropfen zu bekommen. Jetzt saß er am ganz großen Hebel. Diesmal war er besser als jeder in der Genforschung, besser als überhaupt jeder Professor auf der Welt, und verdammt nochmal besser als Till Pohlmann.
Lennart Beck. Dieser Name würde innerhalb kürzester Zeit in die Geschichte eingehen.
Heftiges Klopfen riss ihn aus den Gedanken. Das Aufstehen fiel ihm schwer. Er stöhnte und hielt sich die Schulter. Dann schlurfte er zur Haustür. Der Blick durch den Türspion zeigte lediglich einen leeren Flur.
Wieder klopfte es.
Lennart rief: „Wer ist da? Zeigen Sie sich.“
Augenblicklich erschien eine aufgerissene Pupille vor dem Spion. Lennart zuckte zurück. „Bitte treten Sie von der Tür“, schrie er und sah erneut hindurch. Dort stellte sich ein gepflegt aussehender Mann einen Schritt entfernt auf, richtete sein schwarzes Jackett, zupfte daran und strich es glatt. Dann ließ er seine Arme herunter hängen und sah erwartungsvoll zur Tür. Er trug ein weißes Hemd, eine schwarze Fliege und weiße Handschuhe. Auf dem Kopf saß ein Hut mit schmaler Krempe.
Lennart hängte die obere Kette ein und öffnete die Tür, so weit es möglich war. „Was wollen Sie?“
Der Mann räusperte sich mit der Faust vor dem Mund und sagte: „Ich möchte Ihnen für ihren gigantischen Erfolg danken.“
„Was für ein Erfolg?“
„Ich spreche von ihren unvergleichlichen Forschungen. Sie sind ein berühmter Mann, Sir.“
Verunsichert strich sich Lennart durch die Haare. Was wusste dieser Kerl von seinen Experimenten? Kam er von Igor?
„Wovon reden Sie?“, fragte er durch den Türspalt hindurch.
„Sie sind so unbeschreiblich bescheiden.“ Der Mann senkte kurz den Blick. „Ich spreche von ihrer Forschung zur Verhinderung der Degeneration der Zellen, Sir. Ich rede von ihrem Lebenswerk, dem unendlichen Leben.“
Lennart zischte, schloss die Tür, löste die Kette und öffnete vollständig. „Kommen Sie rein, Mann.“ Besorgt sah er zu beiden Seiten in den Flur. Hier war niemand sonst. „Woher wissen Sie das?“ Er winkte den Mann herein. „Schnell, das geht keinen Menschen etwas an. Wer sind Sie überhaupt?“
„Ager Lake, zu ihren Diensten, Mister Beck, Sir.“ Der Mann kam näher und knickste freundlich. Dabei schloss er die Augen ein wenig.
„Ager?“ Lennarts rechte Augenbraue schob sich hoch. Er verstand nicht. „Schickt Sie Gussew oder Igor?“
„Nein, Sir. Ich bin ihr Butler, Sir. Wenn Sie erlauben.“
„Wer steckt dahinter? Das ist doch ein Scherz. Wollt ihr mich verarschen? Ich habe niemanden bestellt.“ Nervös schob Lennart seine Brille nach oben.
„Das ist mir durchaus bekannt, Mister Beck. Ich komme aus eigenem Antrieb und stelle Ihnen meine Dienste mit Entzücken zur Verfügung.“
„Vergessen Sie das. Ich brauche niemanden. Außerdem habe ich nicht gedacht, dass es überhaupt noch Butler gibt.“
Ager trat ein und Lennart schloss die Tür.
„Wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf: Ich nehme keine Bezahlung von Ihnen, Sir.“
„Können Sie mit diesem Sir-Gequatsche aufhören? Das macht mich wahnsinnig.“
„Wie Sie wünschen, Sir. Ich bitte um Ignoszenz, Mister Beck, Sir.“
Lennart stöhnte. „Nennen Sie mich einfach Lennart.“ Er zeigte zur Küche und ergänzte: „Wollen Sie einen Kaffee, Ager?“
„Bitte gestatten Sie mir, den Kaffee selbst zuzubereiten. Übrigens kann ich Sie beim besten Willen nicht beim Vornamen nennen, Sir.“
„Was sind Sie für ein komischer Vogel?“ Lennart ging voran. „Das Wasser könnte noch warm sein. Ich habe mir gerade einen Kaffee gemacht.“
Ager folgte ihm nicht, betrachtete die Wohnung und stellte nüchtern fest: „Ich werde etwas Zeit benötigen, um gewisse Grundstrukturen in ihre ..., nun sagen wir, leicht vernachlässigte Ordnung zu bringen, Sir.“
„Tun Sie, was Sie nicht lassen können.“ Lennart brühte den Kaffee auf und sagte laut gegen die Wand: „Und nehmen Sie diesen dämlichen Hut ab.“
„Sir, mit Verlaub. Ich setze niemals meinen Hut ab!“
Lennart nahm die volle Tasse und drehte sich um. Ager war zu ihm gekommen und sortierte die schmutzigen Teller in die Spüle. Offensichtlich wollte der Typ wirklich bei ihm aufräumen.
„Ich habe mir die Freiheit genommen, den Medien einen dezenten Tipp zu geben“, sagte Ager nebenbei.
„Sie haben was?“ Entgeistert verfolgte Lennart seine emsige Arbeit.
„Ja, Sir. Sie haben schon richtig verstanden. Ich vermute, dass ihr erlauchter Name spätestens in den Abendnachrichten auftauchen wird. Ihnen gebührt ein fulminanter Ruhm, Sir.“
„Meine Kopfschmerzen bringen mich um“, säuselte Lennart und fasste sich an die Stirn.
Behutsam stellte Ager die Gläser beiseite und sah Lennart an. „Wo befindet sich ihre Hausapotheke, Sir Beck?“
„Im Küchenschrank, oben links. Aber ich glaube nicht, dass noch Aspirin da ist.“ Lennart schlurfte zur Couch und ließ sich hinein fallen.
Ager kramte im Kühlschrank, schloss ihn wieder, öffnete das verstaubte, kleine Küchenfenster und zog einen Ast herein, den er abbrach. Dann hantierte er auf der Arbeitsplatte und kam gleich darauf zur Couch. In der Hand hielt er ein Schnapsglas, gefüllt mit ein wenig brauner, trüber Flüssigkeit.
„Was ist das?“
„Die Rinde der Weide enthält eine Art Acetylsalicylsäure. Diese wirkt schmerzlindernd, Sir Beck. Trinken Sie das.“
Lennart nahm das Glas und kippte es sich in den Hals.
Ager erwartete bereits das leere Schnapsglas, nahm es und wandte sich damit wieder dem Chaos in der Kochecke zu.
„Sir, mit Verlaub, Sie sollten ein wenig schlafen. Sie sehen müde aus.“
Lennart gähnte und war wirklich unglaublich müde. Also überließ er Ager das Chaos in der Küche und wollte sich ein halbes Stündchen hinlegen. Bereits als er sich auf der Couch umgelegt hatte, fielen ihm die Augen zu und seine wirren Gedanken bereiteten die Bühne für das Reich der Träume.