Was würdest du dir wünschen, wenn du einen Wunsch frei hast?
Die einundzwanzigjährige Emily genießt ihr exzessives Leben. Sie ist wild, spontan und unkontrollierbar. Eines Tages will sie beweisen, dass sie jeden Kerl rumkriegen kann und gerät an den vierundsechzigjährigen William, der beim Sex mit ihr einen Herzanfall bekommt. Anstatt zu helfen, beleidigt sie ihn und überlässt ihn sich selbst. Noch am selben Tag erleidet Emily einen schweren Unfall und landet im Rollstuhl. Ihr Lebensmut verlässt sie. Verbittert und suizidgefährdet strapaziert sie Freunde und Pfleger. Als niemand mehr mit ihr zusammenarbeiten will, bekommt sie einen neuen Arzt zugewiesen. Es ist William.
ca 240 Taschenbuchseiten
Taschenbuch
eBook
Orchideen im Wind entführt die Leser auf eine emotionale Achterbahnfahrt, die lange nachwirkt. Die Geschichten der Hauptcharaktere Emily und William sind so detailreich und lebendig erzählt, dass man sich als Leser tief in ihre Gefühle, Konflikte und inneren Kämpfe hineinversetzt fühlt.
Viele Leser berichten von starken emotionalen Reaktionen: Anfangs Zorn, dann Mitgefühl, schließlich völliges Staunen über die Wendungen der Handlung. Die Charaktere überraschen und fordern die Leser heraus, ihre eigenen Empfindungen und Urteile immer wieder zu hinterfragen.
Die psychologische Tiefe der Figuren macht das Buch besonders wertvoll: Die Entwicklung von Emily, die nach einem Unfall lernen muss, mit ihrer neuen Situation umzugehen, und die geheimnisvolle Dynamik um William, erzeugen Spannung und Mitgefühl zugleich. Unerwartete Wendungen und ein überraschendes Ende lassen den Leser oft verblüfft zurück und regen zum Nachdenken und Analysieren an – fast wie bei einem spannenden Krimi.
Abschließend lässt sich sagen: Das Buch ist nicht nur spannend und berührend, sondern auch psychologisch tiefgründig und überraschend. Es ist ein Werk, das nach dem Lesen noch lange im Gedächtnis bleibt und sich für alle empfiehlt, die emotionale Geschichten mit überraschenden Wendungen schätzen.
Drama / ca 240 Seiten
Taschenbuch ISBN: 978-3740786991 € 9.95
eBook: ISBN: 978-3740798185 € 6.99
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Kapitel 1
Die Grundstücksgrenze von Emilys verfallenem Haus war ein verwitterter Betonsockel auf dem einst ein geschmiedeter Zaun mit filigranen Schnörkeln und Speeren mit aufgesetzten Spitzen in der Form von Blättern gestanden hatte. Jetzt war der Zaun zugewachsen, verbogen und korrodiert. Er hatte die grüne Farbe verloren, Segmente waren umgekippt oder gänzlich verschwunden. Zwischen dem Zaun und dem Haus, das keineswegs besser als der Zaun und der Vorgarten aussah, wucherten inmitten von dürrem Gras wilde junge Bäume und vernachlässigte Hecken, die sich in den letzten Jahren unkontrolliert ausgebreitet hatten. Durch die Äste fielen die ersten Sonnenstrahlen des jungen Tages auf die maroden Dachziegel des einsturzgefährdeten Hauses in der Cleve Street. Feine Nebelschleier stiegen davon auf und bildeten einen übersinnlichen Vorhang, der die Neugier auf den Tag wecken sollte.
Knapp vier Jahre lebte Emily an diesem chaotischen Ort, obwohl es anfangs nur als Übergangslösung gedacht war.
Mit aneinandergelegten Knien, ausgestellten Füßen und anhaltend gähnend begrüßte sie sitzend den neuen Tag auf dem Bordstein vor dem Haus.
Die Luft roch unverbraucht und rein. Dazu mischte sich eine dezente Note Moschus, einem Duft, der in der warmen Sonne aus ihrer knappen schwarzen Lederjacke aufstieg.
Nach etlichen Monaten Onlineabstinenz besaß sie wieder ein Smartphone und sie schaltete es ein.
Hoffentlich hat der Typ ein ordentliches Datenvolumen aufgeladen, dachte sie und erinnerte sich an die vergangene Nacht im Pub. Irgendwie tat ihr der Typ jetzt leid. Sie kniff ihre Augen zusammen, überlegte und brauchte eine Weile, bis ihr sein Name wieder einfiel. Er hatte ihn zweimal gesagt, nein eher geschrien, um die laute Musik zu übertönen. Und sie hatte ihr Ohr dicht vor seinen Mund gehalten und den warmen Atem gespürt. Seth. Ja, sein Name war Seth. Sie schmunzelte und nickte selbstzufrieden. Zumindest funktionierte ihr Gehirn besser als ihre Moral.
Seth hatte keine Sperre in seinem Smartphone eingerichtet. Wie naiv musste jemand in der heutigen Zeit sein, um nicht mal einen simplen Schutz einzustellen?
Sie erinnerte sich an seine strahlend blauen Augen und den rechten Mundwinkel, der sich beim Lächeln ein winziges Stück öffnete. Das hatte ihn interessant gemacht. Das, und die Art, wie er gesprochen hatte. Mehr noch, er war irgendwie niedlich. Dabei suchte Emily in keiner Weise eine Bekanntschaft oder stand auf rotblonde Typen. Bei ihm könnte sie möglicherweise eine Ausnahme machen. Doch diese Option hatte sie gegen Mitternacht zerstört, genau zu dem Zeitpunkt, als sie ihm das Smartphone geklaut hatte.
Sie grübelte über die verfahrene Situation und wischte sich mit dem Handrücken über die Lippen. Zweifelsfrei existierte doch ein zartes Verlangen, welches sie nach dem letzten Reinfall mit dem Kerl von der Westküste erleben musste und für immer in den Tiefen ihrer Seele beerdigt bleiben sollte. In diesem Moment war es klar. Sie wollte ihm sein Smartphone zurückzugeben. Das war ein durchaus ungewöhnlicher Gedanke, zumal ihr bisheriges Leben eine andere Moral zeichnete, bei der einer verliert und der andere gewinnt. Nur diesmal sprach ihr Herz ein Wörtchen mit, und das änderte die eingefahrene Meinung.
In seinen gespeicherten Daten wollte sie herausfinden, wo Seth wohnte. Das Bildschirmmenü führte sie zu einer Bildergalerie, die mit Schnappschüssen einer jungen Frau begann. Emilys Stirn legte sich in unschöne Wellen, als würde ein Sturm aufziehen. Dann folgte die bunt besprühte Fassade des Monument Parks in Dublin und jede Menge Selfies von ihm. Er hatte einen leichten Bauchansatz und war um die fünfundzwanzig. Auf einem Bild erkannte sie diesen sympathischen Gesichtsausdruck, den sie bei ihm mochte und den typischen Mundwinkel, wodurch sich in Gedanken seine raue Stimme formte, als stünde er neben ihr.
Emily scrollte bis zu einem Bild weiter, auf dem er stolz seinen blanken Bauch in die Kamera reckte. Ihm standen die gewellten Haare ab, als hätte er sie kurz vorher trockengerubbelt, war unrasiert und grinste versonnen.
Ja, er hatte es verdient sein Smartphone zurückzubekommen, gleich heute. Sie brauchte nur noch eine passende Erklärung und eine verrückte Geschichte, eine, die ihn nicht sauer auf sie werden ließ. Vielleicht half dabei ihr mystischer Augenaufschlag?
Alleine der Gedanke ließ sanft die Schmetterlinge in ihrem Bauch fliegen und eine dezente Nervosität, die sie seit Jahren vergessen hatte, hielt Einzug in ihr Gemüt.
Emily schaltete ab, schleuderte mit gekonnter Kopfbewegung ihre langen Haare hinter eine Schulter auf die Kapuze und blickte auf eine winzige Blüte mit ihren kleinen weißen Blütenblättern, die sich aus einem Spalt im Asphalt emporhob.
„Existierte die Liebe wirklich?“, fragte sie sich leise bei dem Anblick. „Oder ist sie nichts weiter als eine Erfindung der Filmindustrie oder Leuten, die über das Glück philosophierten?“
Schwerfällig erhob sie sich und schob das Smartphone in die Gesäßtasche ihrer knappen Hotpants mit dem ausgefransten Saum. Unter dem Hauch Stoff trug sie eine schwarze Strumpfhose mit unübersehbaren Löchern.
Sie kniff die Augen zusammen und hielt eine Hand gegen die grelle Sonne. Auf der anderen Straßenseite erkannte sie Tina und Betty. Vermutlich waren sie auf dem Weg zur Uni.
„Hey!“, rief Emily herüber und winkte ihnen zu. „Lust auf einen Kaffee?“ Sie kramte in ihrer Lederjacke, fand Kondome, ihren dunkelroten Lippenstift, zwei geknüllte Fünf-Dollarnoten und ein benutztes Taschentuch. Außerdem wühlte sie eine kleine aufgerissene Tüte Twizzlers hervor, die sie sich schnappte und eine rote Lakritzstange herauszog. Genüsslich biss sie davon ab.
„Emy“, rief Betty und kam mit Tina zu ihr gelaufen. „Wie lange warst du im Club?“
Kauend legte Emily ihre Hand auf die Stirn, rümpfte ein wenig die Nasenspitze und zog die Lippen zusammen. „Keine Ahnung. Jedenfalls habe ich den Sonnenaufgang gesehen, bevor ich eingeschlafen bin.“ Sie umarmte erst Betty, dann Tina.
„Hat der hübsche Blonde angebissen?“, wollte Emily von Tina wissen.
„Nein“, sagte sie zögerlich. „Der Idiot hat sich gleich nach dem Drink aus dem Staub gemacht.“ Abwertend zuckte sie mit den Schultern.
„Ist vielleicht gar nicht so verkehrt“, sagte Emily und überlegte eine Weile. „Irgendwie stellt sich jedes Mal heraus, dass es alles selbstsüchtige Idioten sind. Vermutlich ist es besser, wenn ich mir ein eigenes kleines Königreich erbaue. Eines Tages. Dann bin ich eine Königin mit eigenem Land und wohne weit draußen in beschaulicher Ruhe und dem Blick in die Berge. Dafür ist eine feste Beziehung zu einem Mann kaum hilfreich.“
„Träum weiter“, entgegnete Tina und grinste.
„Nein, im Ernst.“ Emily war euphorisch. „Zuweilen geht das Schicksal seltsame Wege. Ich meine den Mist, den ganz großen Mist, der üblicherweise für ein ganzes Menschenleben reicht. Ich habe den längst abgearbeitet. Und ich finde, die Zeit ist reif für ein wenig Gunst.“
„So etwas passiert nur im Märchen. Dummerweise wird Glück nicht gleichmäßig unter den Leuten aufgeteilt. Die einen haben es im Überfluss, die anderen warten ihr komplettes Leben darauf“, sagte Betty.
„Also ich werde wohl nie so eine Königin sein. Dazu bin ich zu abhängig von meinen Eltern, dem guten Willen der Referenten und wahrscheinlich dem fiesen Boss, dem ich irgendwann dienen muss.“ Tina lachte über ihre eigenen Worte und ergänzte: „Ich kann den Arsch jetzt schon nicht leiden.“
Emily stimmte grinsend ein: „Ganz ehrlich? Ich würde niemals dein Chef sein wollen. Das geht überhaupt nicht.“
„Hey“, Tina runzelte die Stirn. „Was soll das heißen?“
Schmunzelnd winkte Emily ab. „Vergiss es.“
„Wir haben noch eine halbe Stunde bis der Unterricht beginnt. Gehen wir kurz in das Diner an der North Street“, schlug Betty vor und legte einen Arm um Emilys Hüfte
Emily und Tina gefiel der Gedanke.
Gemeinsam liefen sie die Jackson Street entlang und bogen kichernd zum nahegelegenen Deano´s Diner ab.
Emily begeisterte nach wie vor ihre Vorstellung von einer glücklichen Zukunft. „Du musst nur fest an deine Träume glauben. Ich bin reif für das große Glück.“
„Falls du etwas genommen hast, will ich das Zeug auch.“ Tina grinste und schüttelte ihren Kopf, strich mit gespreizten Fingern durch ihre fülligen Haare und hielt sie nach oben weg. „Was sollte das Schicksal wohl daraus machen? Sieh mich an. Ich würde schnell das Weite suchen, wenn ich ein Date mit mir hätte.“
Betty alberte mit: „Dabei sind deine Haare noch das Beste an dir.“
Diese Bemerkung brachte ihr einen freundschaftlichen Schlag in die Rippen ein. „Ha, ha. Sehr witzig“, sagte Tina und funkelte gespielt böse mit den Augen.
„Au! Stimmt doch“, beteuerte Betty grinsend und wandte sich an Emily. „Ich wäre froh, wenn ich ihre Haare hätte. Sag mal, wie machst du das überhaupt? Bei dir hat sich bisher nie ein Kerl verkrümelt, wenn du es nicht wolltest. Verwendest du ein geheimes Zaubermittelchen?“
Lapidar zuckte Emily mit den Schultern.
„Jetzt sag schon, wie machst du das?“
Emily blieb stehen und lächelte. „Das ist meine Aura, Mädels. Keine Ahnung, aber vielleicht mögen die Männer Frauen mit meinem Format.“ Sie blinzelte keck.
„Angeberin“, sagte Tina und Betty meinte: „Du könntest absolut jeden haben.“
„Was hätte ich davon? Letztlich sind es doch alles Idioten.“ Dabei musste sie an Seth denken. Vielleicht war er die Ausnahme?
Tina erreichte die Tür von Deano´s als erste und drückte sie auf. Sie ließ die beiden durchgehen und folgte.
Frischer Kaffeeduft lag in der Luft. Eine Kühlvitrine am Eingang, in der sie auf verschiedenen Etagen leckere Torten übereinandergestapelt hatten, summte leise vor sich hin.
Die Mädchen setzten sich an einen Vier-Personen-Tisch an die große Fensterfront.
„Ich denke, du hast unverschämtes Glück mit den Kerlen.“ Betty klammerte sich an das Thema und blätterte beiläufig in der Frühstückskarte.
„Wenn du meinst“, sagte Emily gelangweilt und schnappte sich ebenso eine Karte aus dem unscheinbaren Holzständer. „Ist mir egal.“
„Ich wette, dass du nicht jeden haben kannst.“ Angriffslustig sah sie Tina an, legte die Hände flach auf den Tisch, beugte sich zu ihr herüber und wartete herausfordernd auf eine Reaktion.
„Willst du wetten?“
Jetzt hatte auch Betty ihre Aufmerksamkeit.
„Klar. Was meinst du? Bist du dabei?“ Tina grinste keck.
„Unsinn, um so einen Scheiß wette ich nicht.“ Emily hob eine Hand und rief zum Service: „Können wir Kaffee bekommen?“
„Weil du es nicht drauf hast“, bohrte Tina weiter.
Betty stimmte mit ein: „Sie hat recht, Schätzchen. Leider hast du eine ziemlich große Klappe für so ein kleines Mädchen. Beweise, dass du es kannst.“
„Leckt mich.“ Emily ließ beiläufig die Untersetzer zwischen ihren Fingern tanzen.
Die ältere Frau mit der rot karierten Schürze brachte drei Tassen und goss Kaffee aus einer Glaskanne ein. „Wisst ihr schon was ihr wollt, Mädels?“ Sie wischte sich eine Hand an ihrer Schürze ab, auf der sich schon einige Kaffeeflecken befanden.
Emily zuckte mit den Schultern und Tina sagte: „Ich nehme das Frühstücksspezial.“
Betty schloss sich ihrer Bestellung an und die Bedienung wartete auf die Entscheidung von Emily.
„Kaffee genügt. Hab gerade nicht viel Kohle.“ Sie winkte ab. Die Bedienung nickte und ging zum Tresen.
Tina zeigte in den Raum an das hintere Ende des Diners. Dort saß ein attraktiver Junge in ihrem Alter. Er saß allein am Tisch, las ein Buch und nippte beiläufig am Kaffee.
„Nimm den. Beweise was du drauf hast“, forderte Tina. „Kriegst du ihn in fünf Minuten rum?“
„Was soll das? Ich brauche nicht Mal eine Minute. Davon abgesehen muss ich niemandem etwas beweisen“, sagte Emily herablassend.
Betty stieß Tina gegen den Ellenbogen: „Sie hat absolut recht. Der Typ wäre viel zu einfach.“ Mit durchgestrecktem Rücken sah sie sich im Diner um. Zwei ältere Damen saßen ein paar Tische weiter und ein Farmer aus East Laurens wartete an der Bar auf seine Bestellung. „Wie wäre es, wenn du den Erstbesten abschleppst, der durch diese Tür kommt? Da kannst du zeigen, was du draufhast.“
„Leute. Was wird das hier? Ich habe keine Lust auf eine dämliche Wette.“
„Los, jetzt mach mit“, flehte Tina.
„Um was willst du wetten?“, fragte Emily gelangweilt und trank einen Schluck vom heißen Kaffee. Dann stellte sie den Pott ab und sah die beiden abwechselnd an. „Was bekomme ich, wenn ich mitspiele?“ Sie grinste.
„Keine Ahnung. Was willst du haben?“, fragte Tina.
„Also gut, wenn ich da mitmache, tragt ihr mir eine Woche lang die Tasche hinterher, kauft für mich ein und räumt meine Bude auf.“ Sie grinste selbstzufrieden. „Außerdem müsst ihr mich überall hin begleiten, die Türen aufhalten und euch vor mir ehrwürdig verbeugen.“
„Bist du noch ganz dicht?“ Tina gefiel der Vorschlag offensichtlich nicht.
Emily zwinkerte ihr zu. „Zuerst die große Klappe und dann ist nichts dahinter. Also lassen wir das und genießen unseren Kaffee, okay?“
Tina legte ihre Hand auf Bettys Arm und sah Emily ernst an. „Nein, warte. Du hast fünf Minuten für den nächsten Kerl, der durch diese Tür kommt. Die Wette gilt.“
Betty gefiel der Gedanke. „Stimmt. Das schaffst du nie. Dann wirst du unsere Taschen eine Woche lang tragen und dich vor uns verneigen. Tja, tut mir leid, Schätzchen. Die Wette gilt.“
Tina steigerte sich in die Sache hinein. „Du musst es aber mit ihm treiben, sonst ist die Wette verloren.“
„In fünf Minuten? Soll ich dem Kerl gleich am Tresen die Hosen vom Leib ziehen?“ Emily gefiel das nicht.
„Natürlich nicht. Aber du musst ihn in fünf Minuten abschleppen und dann kannst du dir meinetwegen den ganzen Tag Zeit für den Rest lassen.“
„Ihr seid so bescheuert“, sagte Emily, schüttelte mit dem Kopf, trank etwas und sah die beiden wieder abwechselnd an. Dann atmete sie schwer durch und sagte: „Ihr werdet meine Sklavinnen sein.“ Ihre Lippen zogen sich in die Breite.
Das Essen kam. Tina biss kurz ab, wickelte den Bagel in eine Serviette ein und stopfte ihn in die Tasche.
„Als Beweis schießt du ein Foto von ihm.“ Betty schmunzelte ebenfalls. „Dabei muss er völlig nackt sein. Verstanden?“
„Kein Problem.“ Emily legte ihre Hand auf die Tischmitte. „Schlagt ein, wenn ihr meine Sklavinnen sein wollt.“
Tinas Hand klatschte darauf. „Die Wette gilt.“
„Was ist mit dir, Sklavin?“, Emily forderte Betty auf.
Zögerlich senkte Betty ihre Hand auf die der anderen und sagte: „Klar, ich kann mir doch das Nacktfoto nicht entgehen lassen.“
„Wir müssen bald los. Hoffentlich kommt dein Loverboy schnell durch die Tür. Bin gespannt, wer es sein wird. Wäre blöd, wenn es mein Dad ist“, sagte Tina und stupste Betty an. „Leute, ich hab kein Geld dabei. Wir sollten uns durch die Hintertür verdrücken.“ Tina zeigte ihre leere Jackentasche.
Betty nickte. „Bin auch pleite. Dann werden wir uns das Essen wohl schenken lassen müssen.“
Emily beugte sich vor und flüsterte: „Spinnt ihr? Was ist mit euch los? Ihr wisst, dass ich die Letzte bin, die irgendeinen Scheiß nicht mitmacht, aber sie haben uns in dem Schuppen schon einmal erwischt. Wenn wir auffliegen, geht es nicht mehr glimpflich ab.“
„Was soll schon passieren? Wir können schneller rennen, als der fette Boss“, sagte Tina.
Emily packte ihre beiden Fünf-Dollar-Noten auf den Tisch und strich sie glatt. „Das können wir nicht bringen. Ich bezahle für uns“, sagte sie und verzog die Lippen. „Das ist meine letzte Kohle, Bitches.“
„Nein, das brauchst du nicht zu machen. Steck dein Geld weg. Wir verdrücken uns im passenden Moment und fertig“, zischte Betty und schielte zum Tresen.
Tina trank einen Schluck, wischte sich über die Lippen und zog sich einen Schein heran: „Wow. Seht euch das an.“ Sie drehte ihn mit zwei Fingern herum.
„Was soll damit sein?“
„Die Seriennummer enthält sieben Mal die Sieben. Das ist ein verdammter Glücksschein. Den darfst du auf keinen Fall ausgeben. Wenn du ihn behältst, wird er dein Geld in Windeseile vermehren. Und wenn du ihn ausgibst, bringt er dir solange Pech, bis er wieder zu dir zurückkommt. Du musst echt darauf aufpassen.“
Betty betrachtete die Seriennummer. „Stimmt. Den kannst du nicht ausgeben.“ Sie zwinkerte Tina zu.
„Schwachsinn“, sagte Emily. „Ihr seid Idioten.“
„Nein im Ernst. Du musst den Schein markieren, damit er zu deinem Glücksschein wird.“ Tina schob ihn zurück und legte einen Kugelschreiber dazu. „Das ist eine ernste Angelegenheit.“
Emily verzog den Mund, sah die beiden kritisch an und nahm den Stift. „Was soll ich drauf schreiben?“
„Egal, irgendein besonderes Zeichen, etwas, was nur du kennst.“
„Also gut. Ich mache es für den Luxus in der Zukunft.“ Sie malte die Blüte einer Orchidee in die untere rechte Ecke.
In diesem Moment ging die Tür auf und Betty und Tina stierten gleichzeitig dorthin. Emily saß mit dem Rücken zur Tür. Sie verdrehte die Augen und atmete schwer durch. „Also, sagt schon. Wer ist es?“, sagte sie und zog die Worte in die Länge.
Betty legte ihre Hand auf Emilys Arm. „Das tut mir jetzt fürchterlich leid, Liebes, aber wir haben gerade unsere Sklavin gewonnen.“
Emily blickte über ihre Schulter zur Tür. Ein alter Mann kramte in seinem schmuddeligen Stoffbeutel. Er hatte lichtes Haar, einen ungepflegten, spärlichen Vollbart und üppige Augenbrauen. Seine braune Lederjacke hatte sich über den Taschen und am Reißverschluss dunkel gefärbt. Darunter trug er zwei weitere Jacken. Die Jeanshose war ihm viel zu groß. Sie kannte ihn nicht, und er sah wie ein ungepflegter Landstreicher aus.